Kind in der Schule„Mama, mir tut der Bauch weh!“ – Und das ausgerechnet vor dem Mathe-Test! Wenn die Beschwerden dann ebenso schnell wieder verschwinden, wie sie aufgetaucht sind, verdächtigen Eltern ihren Nachwuchs schnell, nur simuliert zu haben, um dem Test zu entgehen. Sehr oft tun Eltern ihren Kindern damit aber Unrecht, denn auch wenn Schmerzen im Kindesalter nicht immer eine körperliche Ursache haben, können sie dennoch real sein und sich bei Nichtbeachtung sogar chronifizieren. Das Phänomen, dass seelische Probleme körperliche Symptome auslösen, nennt man Psychosomatik.

Wissenswertes zur Psychosomatik

Der Begriff „Psychosomatik“ setzt sich aus den altgriechischen Wörtern „psyche“ (=Seele) und „soma“ (=Körper) zusammen und beschreibt Schmerzen oder Erkrankungen, deren Ursache im seelischen Befinden liegt. Dieser Zusammenhang ist schon lange bekannt, allerdings im Zuge der voranschreitenden medizinischen Forschung eine Zeitlang wieder in Vergessenheit geraten. Psychologen und Psychoanalytiker entdeckten den Zusammenhang zwischen körperlichen und seelischen Beschwerden aber wieder und mittlerweile findet diese Erkenntnis auch in der Medizin immer mehr Befürworter. Das Prinzip ist eingängig: Das Gleichgewicht zwischen Körper und Seele ist empfindlich und reagiert auf jede Störung; Wenn jemand körperlich krank ist, leidet seine Seele mit, umgekehrt kann Krankheit auch in Folge von seelischem Leid entstehen.

Psychosomatische Beschwerden können einmalig auftauchen, zum Beispiel in Form von psychosomatischem Durchfall vor einer Prüfung oder Einnässen als Folge starkem Drucks. Werden aber stets nur die Symptome behandelt und nicht die Ursachen, kann es sein, dass sich die Beschwerden verfestigen und eine dauerhafte Problematik nach sich ziehen. Deshalb ist es wichtig, dass psychosomatische Beschwerden nicht nur erkannt, sondern auch ernst genommen werden, um eine Chronifizierung zu vermeiden. Denn letztlich sind psychosomatische Bauchschmerzen genauso schmerzhaft, wie somatisch bedingte und vergehen nicht durch bloßes Ignorieren.

Psychosomatische Erkrankungen im Vergleich zu Psychogenen Erkrankungen

Oft taucht im Zusammenhang mit psychosomatischen Erkrankungen der Verdacht auf Simulation oder gar Hypochondrie auf, also auf reine Einbildung der Beschwerden. Hier muss allerdings eine klare Trennlinie gezogen werden: Eingebildete Beschwerden, auch psychogene Beschwerden genannt, existieren nur im Kopf und zeigen keine körperlichen Symptome. Bei psychosomatischen Beschwerden hingegen sind tatsächlich körperliche Symptome nachweisbar, sie haben lediglich ihre Ursache in der psychischen Verfassung des Erkrankten. In beiden Fällen kann eine psychotherapeutische Behandlung zur Genesung führen, bei psychosomatischen Erkrankungen ist allerdings dennoch eine ärztliche Begleitung notwendig, da ernst zu nehmende körperliche Symptome vorliegen.

Warum Kinder besonders anfällig für psychosomatische Erkrankungen sind

Zwar können psychosomatische Erkrankungen Menschen aus allen Altersklassen und Schichten treffen, allerdings sind Kinder besonders häufig davon betroffen. Die Gründe hierfür liegen in der erhöhten seelischen Verletzlichkeit von Kindern, schließlich sind Kinder noch nicht so kopfgeleitet wie Erwachsene, Kinder sind vor allem Gefühlswesen.

Wie bereits erklärt entstehen psychosomatische Beschwerden aus einem Ungleichgewicht in dem empfindlichen Verhältnis zwischen Körper und Seele. Während Erwachsene aber viel eher in der Lage sind emotionale Reize und Stimmungen zu filtern und einzuordnen, sind Kinder der Atmosphäre, die sie umgibt, oft völlig schutzlos ausgeliefert – Stress und schlechte Tage schlagen ihnen im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen.

Besonders bei Kleinkindern ist dabei das Körpergefühl noch nicht ausreichend ausgeprägt, um Schmerzen gezielt zuordnen zu können. Kinder empfinden Schmerzen deshalb oft ganzheitlich im Zentrum ihres Körpers: Im Bauch. Dazu kommt, dass besonders kleine Kinder die Gefühle, die sie belasten, häufig noch nicht verbalisieren, also in Worten ausdrücken können. Dadurch können diese Emotionen aber auch nicht angemessen verarbeitet werden und bleiben den Kindern lange unverdaut im Magen liegen und verursachen dabei körperliche Beschwerden.

Diagnostik und Behandlung der Beschwerden

Dennoch ist natürlich nicht jeder Bauchschmerz bei Kindern gleich psychosomatisch bedingt. Auch bei Kinder muss natürlich zunächst abgeklärt werden, ob körperliche Ursachen für die Schmerzen vorliegen. Bevor eine Diagnose auf Psychosomatische Beschwerden gestellt werden kann, braucht es zunächst gründliche Untersuchungen und Beobachtungen. Für die Diagnose ist es wichtig, einen Kinderarzt zu haben, der dieser Thematik offen gegenüber steht – wer psychische Ursachen für eine Erkrankung bereits im Vorfeld ausschließt, wird sie gewiss nicht erkennen, geschweige denn angemessen behandeln können. Ein ganzheitlich arbeitender Kinderarzt wird nicht nur nach den Symptomen einer Erkrankung fragen, sondern auch nach deren Gründen, um zu verstehen, wie er seinen kleinen Patienten langfristig helfen kann.

Und auch seitens der Eltern ist eine genaue Beobachtung gefragt: Welche eventuell auslösenden Faktoren gehen der Erkrankung voraus? Wiederholen sich Beschwerden in bestimmten Situationen oder bleiben sie Einzelfälle? Eine gute Abstimmung mit dem Kinderarzt ist eine wichtige Voraussetzung für eine gelingende Behandlung, ebenso die Bereitschaft eine psychotherapeutische Behandlung einzugehen. Denn so kann kleinen Patienten geholfen werden, Konflikte besser zu bearbeiten und so letztlich beschwerdefrei zu werden. Besonders bei kleinen Kindern ist es wichtig, dass hier die ganze Familie zusammenarbeitet und sich aktiv an der Therapie beteiligt. Denn kleine Kinder nehmen Gefühle und Probleme aus ihrem näheren Umfeld noch weitgehend ungefiltert auf, weshalb es wenig Erfolg verspricht, die seelischen Beschwerden eines Kindes isoliert behandeln zu wollen.

Deshalb ist es notwendig, dass die Behandlung psychosomatischer Erkrankungen ganzheitlich erfolgt: Medizinische Betreuung und Psychotherapie müssen aufeinander abgestimmt werden und Eltern sowie das nähere persönliche Umfeld miteinbezogen werden. Nur so können die Voraussetzungen geschaffen werden, die einem Kind eine vollständige Genesung ermöglichen. Besonders wichtig sind hier auch die Eltern, die durch das enge Verhältnis zu dem Kind quasi als Co-Therapeuten fungieren.

Was können Eltern tun?

Tatsächlich können Eltern viel zum Behandlungserfolg bei psychosomatischen Erkrankungen beitragen. Wichtig ist hierfür zunächst die entsprechende Einstellung: Psychische Ursachen als Krankheitsauslöser müssen akzeptiert und verstanden werden, die Beschwerden ernst genommen statt abgetan werden.

Ein Aspekt ist hier natürlich, seinem Kind die entsprechende Therapie (sowohl medizinisch als auch psychotherapeutisch) überhaupt zu ermöglichen. Aber Eltern haben noch andere Möglichkeiten ihr Kind zu unterstützen. Psychosomatische Beschwerden müssen die gleiche Beachtung finden, wie körperliche Erkrankungen, allerdings darf das nicht in ein Überbewerten umschlagen. Eine zu starke Konzentration auf die Symptomatik kann zu einer Verschlechterung führen, da durch die starke Gewichtung auch der Druck auf die Psyche des Kindes steigt. Hilfreicher ist es, psychosomatische Erkrankungen genauso zu behandeln wie „normale“ Erkrankungen. Denn letztlich ist es bei psychosomatischen Beschwerden genauso, wie in jedem anderen Bereich: Problem, die pragmatisch und auf aktive Bewältigung ausgerichtet betrachtet werden, können eher gelöst werden, als solche, die mit lähmender Hilflosigkeit betrachtet werden.

Manchmal kann es sinnvoll sein, den Alltag umzustrukturieren, manchmal können gemeinsame Gespräche helfen. Ist die Problematik bereits sehr festgefahren, kann es gewinnbringend sein, wenn sich die ganze Familie einer therapeutischen Behandlung öffnet. Ist die Situation noch nicht so versteift, reicht es oft schon, wenn Eltern ihrem Kind offen und empathisch begegnen, um ihm zu helfen, seelische Schmerzen zu verarbeiten, bevor Sie sich in körperliche Schmerzen verwandeln.

Der Stigmatisierung ein Ende machen

Letztlich wird jedem, der sich mit psychosomatischen Erkrankungen bei Kindern beschäftigt, früher oder später vor allem eines klar: Sie sind genauso „normal“ wie alle anderen Krankheitsformen sonst auch. Frühzeitig erkannt können sie problemlos behandelt und vollständig geheilt werden. Sie sind quasi eine logische Folge der empfindsamen, noch nicht vollständig ausgereiften Struktur kindlicher Psyche und der engen Verbindung zwischen Seele und Körper. Keineswegs sind psychosomatische Erkrankungen ein Anzeichen für aufkommende Geisteskrankheiten, vielmehr sind sie eine normale Form von Krankheit und sollten weder dramatisiert noch stigmatisiert werden.

Beste Grüße
Petra Fischer
Gesund24h Redaktion

Psychosomatik – Kinder fühlen mit dem Bauch

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